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Bilder der modischen Stadt
Gruppenausstellung beim Baden-Badener Kunstverein zeigt Konstruiertes

Unsere durch und durch dekonstruierte und zerrissene Wirklichkeit, die jetzt von der Suche nach den europäischen Konstanten aufgerüttelt wird, liefert oft sogar die Kunst dem Beliebigen aus. „Anything goes“, lautet die mittlerweile auch schon alte Devise. So wie sich der Charakter unserer Zeit wandelt, so spiegelt die Kunst immer andere Inhalte wieder.
Wir sind daran gewöhnt uns in der Oberfläche des Konsums einzurichten und so zu leben, als ob wir nicht endlich wären. Gerade die vermeintliche Rettung an die Oberfläche untersucht die neue Ausstellung der Gesellschaft der Freunde junger Kunst im Alten Dampfbad Baden-Baden. „Stadt im Regal - Scarface“ ist ein Installationssystem, das in der Gruppenarbeit von zwölf Künstlern aus Berlin entstanden ist. Die jungen Künstler bauten schon in der Hauptstadt ein zwei Meter großes Modell des Dampfbads nach, teilten den Raum unter sich auf und luden Dorothy Iannone, die in Berlin lebende amerikanische „Grande Dame“ der zeitgenössischen Kunst zum Projekt extra ein.
lannone stellt den Bezug zu Baden-Baden motivisch eindeutig her: Ein „Roulette-Table“ und Papierstücke mit persönlichen Zeilen, wie „My inspiration is love“ werden in einer Vitrine zusammengefasst, objektiviert, während an der Wand, bunt-dekorativ, ein glückliches Menschenpaar in verschiedenen Stellungen kopuliert. Spiel- und Liebesbesessenheit als Wandtapete. Mit einem sich wiederholenden Architekturmotiv tapezierte Katharina Schmidt einen kleinen Ausstellungsraum rosa-weiß aus, um den Verweis auf einen orientierungslosen Ort von Toulouse zu machen.
Der Videofilm von Tina Born läuft in diesem Raum und fängt mit den als Schreckensbegriffe wirkenden Wörtern wie Cellulitis, Menopause, Dementia an. Die Person der Mutter, die für die Tochter das Altern fast hervorragend meistert und ihre Lebenswahrnehmung nicht von der Angst bestimmen lässt, zieht den Blick als lebendiges Wesen sofort auf sich. Eine Zeitmaschine. Markus Strieder will sich mit einem Silikon-Selbstportrait „retten“ und sein 39-jähriges Gesicht auch mal mit sechzig anziehen.
Spannend zeigen sich Arbeiten, die eigentlich Architekturelemente der Großstadtwirklichkeit sind und im musealen Kontext präsentiert werden und gleichzeitig auf die nicht ökonomischen Handlungen der Bauindustrie verweisen. So zwei funktionslose Dreiecksgiebelteile eines Aldi-Geschäftes, von Birgit Schlieps beobachtet und aufgenommen, oder die Spiegelscheiben einer Fassade vom Alexanderplatz, die bei der schonungslosen Sanierung einfach abgebaut wurden.
Dieser Bau ist das Werk desselben Architekten, der den Ostberliner Fernsehturm entworfen hatte. So rettet Heike Klussmann die Spiegelwände und plant ihre Integration in Neubauten. Momentan aber erweitern sie wie Minimal-Art-Objekte den reellen Raum des Kunstvereins.
Die „Frauen“ von Ursula Döbereiner oder die amorphen, abgestellten Wachsobjekte von Daniela von Waberer bringen die Zeitlichkeit und den spielerischen Moment in die Ausstellung hinein. Ohne alle Beiträge der Schau kritisch erwähnen zu können, lässt sich feststellen, dass „Stadt im Regal“ eine zeitgemäße, modische Inszenierung ist, in der viele Medien und Themen vertreten sind, einiges nicht zusammenpasst, die räumliche Nachbarschaft aushalten muss und in der sich der Besucher amüsiert, freut, ärgert oder sich langweilt. Wie draußen in der Stadt. Was für ein Paradies! Bis zum 20. Juli.

Kinga German Badener Tagblatt vom 21.06.2003