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Sehnsuchtsgedicht wird zu einem Film
Eröffnung der Ausstellung „Stadt im Regal" im Alten Dampfbad / Engagierte Künstlergruppe

Baden-Baden (kge) - Dass die Liebe und die Leidenschaft das Leiden mit und in sich tragen, wissen wir alle. „Nennt man die schlimmsten Schmerzen, so wird auch der meine genannt“, schrieb Dieter Roth aus Deutschland auf einer Postkarte an seine Lebensgefährtin Dorothy lannone in die Ferne, nach Amerika. Die Künstlerin baute das ganze Sehnsuchtsgedicht des Künstlers Roth in einen Film ein, der bei der Eröffnung der Ausstellung „Stadt im Regal“ der Gesellschaft der Freunde junger Kunst im Alten Dampfbad am vergangenem Samstag gezeigt wurde.
„Aua Aua“ (1969) ist ein ehrlicher, poetischer Kurzfilm, in dem sogar die Musik - Wagners Ouvertüre von Tristan und Isolde - die bedingungslose Liebe heraufbeschwört. Das Vernissagepublikum verfolgte trotz der Hitze nicht nur diesen Film aufmerksam, sondern auch den langen Vortrag von Oliver Koerner von Gustorf. Der Berliner Journalist und Galerist fragte offen danach, was unter den Begriffen „Oberflächenrekonstruktion“ und „Anti-Aging“, die von den zwölf hier ausstellenden Künstlern verwendet werden, zu verstehen sei.
Der „systematische Kampf gegen das Altern“ und die gängigen Polaritäten wie etwa schön-hässlich, gut-böse wurden schon am Anfang des Vortrages als Stereotypen definiert. Koerner von Gustorf stellte weiter die von ihm ausgewählten Filme vor. Als Begleitprogramm zur Ausstellung im Alten Dampfbad werden nämlich Filme gezeigt, die überwiegend Frauen in der Identitätskrise thematisieren.
Die meisten Streifen entstanden in den siebziger Jahren und untersuchen auf unterschiedlicher Weise, „was sich unter der Oberfläche abspielt“. Auch dann, wenn zum Beispiel die alternde Diva beim Geschlechtsakt nur auf die Integrität ihrer Frisur achtet („Andy Warhol´s Heat“ 1972).
Die Künstler wurden anschließend nach vorne gerufen und vorgestellt, so dass man sich in Einzelgesprächen mit ihnen über die Kunstobjekte austauschen konnte. Besonders hervorzuheben ist das Engagement der Künstlergruppe, die den Aufbau der Ausstellung in Teamarbeit gestaltete. Kurzbiographien und Kurzinformationen zu den Arbeiten liegen aus und können von den Besuchern mitgenommen werden.
Öffnungszeiten der Ausstellung im Alten Dampfbad, die bis zum 20. Juli zu sehen ist: Dienstag bis Freitag 15 bis 18 Uhr, Samstag 11 bis 13 Uhr, Sonntag 11 bis 17 Uhr. Filmvorführungen sind am 22. Juni, 6. Juli und 13. Juli jeweils um 17 Uhr.

Badener Tagblatt vom 16.06.2003