STADT IM REGAL - BUNGALOW

vom 15.Juli - 20.August 2000 im Rahmen der Ausstellung Z 2000, Akademie der Künste Berlin





Hansaviertel Berlin

1953 beschließt der Berliner Senat den Wiederaufbau des Hansaviertels, eines durch den Krieg fast völlig zerstörten Viertels aus dem 19. Jahrhundert. Zur Internationalen Bauausstellung 1957 bekam eine Auswahl internationaler Architekten [sic] die Gelegenheit, die Ideen moderner Architektur und Städtebaus auf diesem begrenzten Areal in einer Art Modellversuch zu realisieren. So entstand inmitten dieses einmaligen Querschnitts durch den International Style auch der Ort der Ausstellung, die Akademie der Künste Berlin-West von Werner Düttmann.
Unser Ausstellungsort vor dieser Akademie der Künste im Hansaviertel, einst Stätte politischer und baulicher Manifestationen, wo das Utopische den Charakter des Planmäßigen einging, ist Geschichte geworden durch die politische Entwicklung nach 1989 und der damit einher gehenden Stadtentwicklung.


Bungalow Typ A, Nr.39

STADT IM REGAL sind im Hansaviertel die Atriumhäuser des Architekten Eduard Ludwig aufgefallen: Beim Blick durch die Bäume überrascht die brutale Abschirmung der eingeschossigen Gebäude durch ebenso hohe Metallzäune.
Eduard Ludwig studierte von 1928 bis 1932 am Bauhaus Dessau. Beim Bungalow nutzte er das räumliche Konzept der kontinuierlichen Wand als raumbildendes Element. Die einfache Anordnung von Wohnung, Garage und Garten in einer Überschneidung zweier Rechtecke ergibt ein Modul, das eine Häufung, eine sogenannte „Teppichbebauung“ vorstellbar macht. Hinter den zunächst abweisend wirkenden Einfriedungen liegen Gartenhöfe, die ihren Bewohner*innen ein ungewöhnliches Maß an äußerer Abgeschlossenheit und innerer Freiheit inmitten der Großstadt bieten.
Die Moderne der zwanziger Jahre strebte die Franziskanische Utopie eines kühlen, geistreichen und demokratischen Luxus für alle an. Sie verfolgte damit letztendlich das Ziel eines Umbaus des Planeten Erde. Diese reisefertigen Häuser, in denen sich Abschied ausdrückt, mit ihren durchrationalisierten geschlossenen Systemen* waren für eine Generation der Zukunft geplant, und somit wohl für uns, die wir alle noch nicht geboren waren.
In den 60er und 70er Jahren wurden Mobilität und Individualität ein gesellschaftliches Thema. Die Architektur reagierte darauf mit der Vorstellung permanenter Gerüste mit wechselnden Einbauten: Dieses Verfahren, indem die neutrale Struktur das Regelmäßige und Bekannte repräsentiert, ihre Ausfüllung dagegen einen Spielraum für Aktivität und Originalität freihalten soll, nehmen wir in unser Konzept auf. Da die Wahl unserer Möglichkeiten sich nicht nur innerhalb des Systems bewegt, sondern auch das System selbst in Frage stellt, sprengen wir die architektonischen Vorgaben.
*Ernst Bloch


Bungalow M: 1:1

Wir bauen ein 1:1 Modell des Bungalows Typ A, Nr.39 von Eduard Ludwig auf den Vorplatz der Akademie.
Dabei übernehmen wir den Grundriss, die Proportion und die Struktur des rechteckigen Hauses. Die Elemente des Baus und die vorstellbaren, knapp kalkulierten und durchrationalisierten Funktionsabläufe innerhalb des Bungalows sind Hintergrund unserer individuellen künstlerischen Positionen.
Das Musterhaus von 1957 wird wieder zum Denkmodell. Als Solitär und Implantat im öffentlichen Raum des Hansaviertels stellt es neue Zusammenhänge auf engstem Raum her: Stadtkonzentrat, Überblendung mit künstlerischen Positionen, eine Verschmelzung unterschiedlicher Einheiten mit verschiedenen Welten realer und fiktiver Orte. Ein Ort für Visionen und Reflexionen. Ein Andocken und eine Invasion an die moderne Architektur.
Wir sind Architekt*innen, Nutzer*innen und Bewohner*innen des Hauses: mit uns bezieht die Stadt das Haus. Es entsteht ein Stadtkonzentrat, bei dem Realitäten verschiedener Ebenen zusammentreffen: Oberflächen, Materialien, Modelle der Stadt und die Handlungsabläufe ihrer Bewohner.




Die Ausstellung wurde realisiert mit freundlicher Unterstützung der Akademie der Künste Berlin und der Senatsverwaltung für Wissenschaft, Forschung und Kultur, Berlin.

Besonderen Dank an:
Lutz Alder, Werner Sandmann,
Lehniner Institut für Kunst und Handwerk,
Arge Rohbau Lehrter Bahnhof, Thyssen Hünnebeck/Schalung,
Enno Roggemann/Holzimport, Horst Pfeilschmidt/Tiefladertransporte,
Architekturbüro Rahl/Emstal, Statik: Dipl.-Ing. Thomas Ottersbach,
Prüfstatik: Büro Prof. Dr. rer. nat. Erich Cziesielski
Rohbau: Ralf Übernickel, Ali Kurtipek, Stepan Susilovez, Timo Decker,
Patrick Richter, Henry Streblow
koebcke GmbH, Gaugler & Lutz oHG, Delsack, Rolf Benz AG, modulor,
Werkleitz Gesellschaft e.V., rotec GmbH Berlin, A. Haussmann GmbH.