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Birgit Schlieps Triple B - silber
2020, Heft mit Aktendeckel, Digital Print, 28,7 x 20 cm, 20 Seiten und ein Farbmuster in silber als Einlage, Siebdruck auf Karton, 33 x 23,5 cm, gefaltet, 20er Edition (zusätzlich zur 300er Auflage als Multiple-Supplement für das im Materialverlag Hamburg 2020 erschiene Buch: Aktau, Bildphänomene einer Plattenbaustadt in der kasachischen Steppe)


Drei Brachen, drei Orte, drei Pflanzensammlungen, drei Brachen-Hohlformen. Alle drei Brachen zeichnen sich durch unklare Verhältnisse aus, jede Fläche steht für eine andere Art von Ambivalenz in Bezug auf Eigentumsverhältnisse, Nutzung, Aussehen, Bestandteile und Größe und auch die Bezeichnung Brache als etwas »Liegengelassenens« stimmt nur für einige Aspekte.

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Cottbusser Platz, Berlin Hellersdorf. Die Brache ist eine wild bewachsene Wiese zwischen den Plattenbauten, ein wilder Park mit Trampelpfaden zwischen U-Bahn-Station und den umliegenden Häusern und der Gemeinschaftsunterkunft in der Maxie-Wander-Straße. Der Bezirk plant eigentlich eine Bebauung. Es ist ein Raum mit hoher Aufenthaltsqualität, eine angenehme Leerstelle im Gewebe der Stadt. Im Moment der Aneignung wird die Wiese aufgrund ihres vorhergehenden Aus-dem-Kontext-genommen-Seins für eine kurze Zeitspanne zu einem Monument ihrer selbst.

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Schönhauser Allee, Berlin Prenzlauer Berg. Die Brache ist ein Garten zur freien Nutzung ohne Eigentumsrecht. Eine Art Allmende, ein Gemeingut. Ich kümmere mich um den Garten, weil ich als einzige einen direkten Zugang habe. Die anderen können den Garten nur über den Keller erreichen. Dieses Nicht-Besitzen, aber dennoch Sich-um-etwas-Kümmern-Können erscheint mir als ein kostbares Gut. Ich pflanze Bäume, vor ein paar Jahren einen Birnbaum, der seit letztem Jahr sehr viele Birnen trägt, dann eine Pappel und dieses Jahr wahrscheinlich einen Quittenbaum. Dieser Garten ist ein Geschenk, sich täglich verändernd, offen für die, den Andere/n.

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Stavanger Straße, Ecke Ibsenstr., Berlin Pankow. Die Brache, eindeutig eine Nachkriegsbrache, ist 1999 auf Ersuchen der Oberfinanzdirektion Berlin der Republik Bulgarien übertragen worden. Es ist anzunehmen, dass die Bundesrepublik Deutschland aufgrund einer Vereinbarung im Gegenzug ein anderes Grundstück in Bulgarien erhalten hat. Im Sommer 2019 war das Grundstück noch eine Art Urwald, undurchdringlich und doch dazu verleitend am Rand, am Bauzaun stehen zu bleiben und den Blick in die blätterverdichtete Landschaft zu versenken und den Gedanken freien Lauf zu lassen.

Der silberne Farbmuster-Karton als Einleger am Ende des Hefts steht für eine Freifläche und ganz konkret für den botanischen Garten in der Plattenbaustadt Aktau in der kasachischen Steppe. Die Ausdehnung des Gartens entsprach etwa 1/8 der Größe des Central Parks in New York. Der botanische Garten wurde nie fertigstellt, bestimmte aber als Erzählung den imaginären Horizont der Stadt. Es wurde gewitzelt, dass der Garten eher eine Art Mustergelände einer Steppenlandschaft mitten in der Stadt sei. Tatsächlich war es das Freihalten der Fläche, welches als Luxus und als ein Ausdruck des Reichtums der Stadt empfunden wurde.