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Antje Dorn Berlin - Vom Checkpoint Charlie zum Brandenburger Tor, 19.4.1990

Heft, A4, Klammerheftung, 28 Seiten, Farbe
Das Heft enthält 30 Videostills aus dem gleichnamigen Video 8 Film vom 19.4.1990.

Im Frühjahr 1990 habe ich kurz nach dem Mauerfall bei einem Spaziergang entlang des Mauerstreifens vom Checkpoint Charlie zum Brandenburger Tor Videoaufnahmen mit Hi 8 gemacht. Dieses Videomaterial habe ich 2020 für das Projekt Brache von Stadt im Regal gesichtet, digitalisiert und mit einer Auswahl von 30 Videostills ein Künstlerbuch entworfen.

Die Strecke in Berlin, um die es hier geht, war damals vor gut 30 Jahren, das kann man wohl ohne zu übertreiben sagen, die prominenteste Brache Deutschlands. Es war ein grauer Apriltag, das passte sehr zu der Stimmung dieser Stadtlandschaft. Wenn ich das gefilmte Material heute anschaue, denke ich, hey, wie grau und kaputt Berlin damals war, mir war das gar nicht so klar. Viele Menschen waren unterwegs um die Situation anzusehen, überall hallten die Geräusche der Mauerpicker, meist Jugendliche oder Kinder, die kleine Stücke aus dem Beton der Mauer herausklopften und für 1-2 Mark wie Edelsteine auf kleinen Campingtischen anboten.
Dieses seltsam leere Zentrum mitten in einer Großstadt, eine Brache mit aufgebrochenen und kaputten Strassen, Erd- und Schutthaufen, dann wieder riesigen Lücken mit Resten von Betonplatten, Asphaltstücken neben gespenstischen ruinenhaften Bauten auf der ehemaligen Ostseite, die vereinzelten IBA-Neubauten (z.B. in der Zimmerstrasse) auf der ehemaligen Westseite gegenüberstanden. Überall sehr weitläufige brachliegende Freiflächen, allen voran der Potsdamer Platz, auf dem nur noch das Weinhaus Hut stand und dessen ursprüngliche Straßenführung kaum mehr zu erkennen war. Dort gab es neben den vermüllten und unzugänglichen U-Bahn Eingängen einen Flohmarkt, den „Polenmarkt“, wo man Kaviar und DDR Devotionalien kaufen konnte.
Das Ganze war in diesem Augenblick ein seltsamer Moment des Stillstands, die Bauarbeiten hatten noch nicht begonnen und die Ursachen für diese Mischung aus Mondlandschaft, Trümmerhaufen und Wüste waren Geschichte.

Heute ist davon so gut wie nichts mehr zu sehen. Der Checkpoint Charlie ist zu einem Ausflugsziel für Touristen geworden mit den dazugehörigen Buden und Schildern, die Straßen sind längst wiederhergestellt und Bauten entweder saniert oder abgerissen. Fast alle Lücken wurden gefüllt und doch will sich am Potsdamer Platz trotz der Hochhäuser und groß angelegten U-Bahn Eingänge kein echtes Metropolengefühl einstellen.

Antje Dorn, Berlin Frühjahr 2021


Konzept, Gestaltung, Kamera, Videostills: Antje Dorn
Mitwirkung am 19.4.1990: Gosbert Adler
Besonderen Dank an: Daniela Comani